Sonntag, 24. März 2013
Tag 2: 23.03.2013
cyclopedo, 09:44h
(Vergrößern durch Klick auf das Fahrradsymbol)
Tag 2 meiner Radreise. Gestern bin ich ja insgesamt nicht weit gekommen aufgrund der zeitlichen Verzögerungen schon mit der Zuganreise. Jetzt gilt es in den nächsten Tagen Kilometer gut zu machen. Ursprüngliches Ziel sollte ja für heute Calais sein. Das liegt jedoch noch ca. 200 km entfernt. Das werde ich wohl nicht schaffen. Meine weiteste Strecke mit dem Rad war bisher knappe 180 km. Vielleicht schaffe ich ja heute so um die 150 km?
Unterwegs auf einem Damm...
Ich bin in Ouddorp, einem kleinen Örtchen in der Provinz Zeeland in den Niederlanden. Nach dem Frühstück mache ich mich auf. Es geht über mehrere Dämme in Richtung Süden. Es weht ein starker Ostwind mit etwa 44 km/h. Ich muss stark gegenlenken, um halbwegs geradeaus fahren zu können. Es hat 0°C, teilweise auch -2°C. Der starke Wind lässt es mir allerdings vorkommen wie -10°C. Es ist einfach nur kalt. Ich habe mehrere Schichten Radklamotten über mir. An den Dämmen, wo es am windigsten und kältesten ist, reichen diese Schichten auch nicht mehr. Der Wind durch alle Fasern. In einem kleinen Ort halte ich in einer Nebenstraße hinter einem Haus an und ziehe mir noch zusätzlich meine Armlinge und Beinline an. Noch eine weitere Schicht. Ich habe bereits drei paar Socken an, und die Zehen frieren trotzdem. Also solche ich meine Überschuhe heraus und die Regenhose. Beides kommt oben noch einmal drauf. Überschuhe und Regenhose sind aus winddichtem Material, und das hilft tatsächlich. Ich friere nicht mehr und fühle es sogar warm. Ich bin jetzt verdammt dick verpackt. Im Gesicht trage ich eine Sonnenbrille, um die Augen vor dem Wind zu schützen. Über Nase und Mund trage ich meine Schal. Das hilft. Die eingeatmete Luft ist so etwas wärmer und erträglich. Ich sehe aus wie ein Beduine. Es gibt keinen Schlitz mehr, der nicht voll eingepackt ist.
Eingepackt wie ein außerirdischer Beduine
Auf den Dämmen kommt leichter Schneefall dazu. Frühling ist etwas anderes.
Ich habe großen Respekt vor den Einheimischen, die auch bei diesem Wetter wie selbstverständlich ihre Alltagsgeschäfte mit dem Fahrrad erledigen.
Die raue Nordsee
In Vlissingen komme ich gegen 13:45 Uhr an. Hier nehme ich eine Fähre, um zur anderen Seite zu kommen. Hier in Breskens, ist auf einem kleinen Damm-Abschnitt der Wind so stark, dass er mich extrem nach links drückt. Ich versetze meinen Schwerpunkt nach rechts gegen den Wind. Ich fahre in einem geneigten Winkel von ca. 30°. Es ist kraftraubend. Ab sofort fahre ich auf Abschnitten, die nicht mehr ganz so windstark sind. Wo ein kleiner Windschutz ist, dort fahre ich nun entlang.
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Von Breskens geht es nun Richtung Belgien, genauer gesagt nach Brügge. Die Fahrt nach Brügge wird angenehm. Es geht mehr ins Landinnere. Entsprechend nimmt der Wind ab. Ich komme gut voran. Brügge selbst ist die Hauptstadt der belgischen Provinz Westflandern.
Eine Windmühle in Belgien
In Brügge setze ich mich im Zentrum in ein Café und trinke eine heiße Schokolade. Das tut gut. Ich kann mich leicht wärmen.
Die Außentische im Café sind nass. Ich frage den Kellner, ob es heute wohl geregnet habe. Er meinte, es habe geschneit, und das in ganz Belgien. Na, dann habe ich es mit meinem leichten Schneefall ja noch vergleichsweise gut gehabt.
Brügge
In einer kleinen Bäckerei esse ich noch eine belgische Waffel mit belgischer Schokolade. Mann, war das lecker. Die Belgier verstehen was von Schokolade.
Es geht weiter raus aus Brügge nach Oostende, wieder an die Küste. Es geht schnurstraks geradeaus. Der Wind hat fast ganz nachgelassen. Mir kommt das Wetter so gleich viel wärmer und angenehmer vor. Den Schal als Mundschutz und meine Kaputze brauche ich nicht mehr. Ich komme gut und schnell voran. Ich bin auf diesem Streckenabschnitt konstant um die 30 km/h schnell unterwegs.
Segelschiff in Oostende
In Oostende bin ich so schnell. Wieder am Meer. Doch irgendwie ist das Meer hier anders, angenehmer. Es gibt eine große Strandpromenade. Ich fahre an dieser entlang. Das Meer ist hier viel ruhiger und angenehmer. Ich genieße die frische Meeresluft und atme mit Inbrunst die salzige Meeresluft ein. Das fühlt sich gut an. Ich radele so mehrere Kilometer auf der Strandpromenade entlang, von Ort zu Ort. Es ist schön.
Strand-Promenade in Oostende
Langsam höre ich am Rad etwas schleifen. Das ist nie ein gutes Geräusch. Ich schaue zurück in Richtung Gepäckträger. Er hängt leicht schief und schleift am Kettenblatt. Das sollte so nicht sein. Ich steige ab und schaue mir das an. Auf den ersten Blick sieht es aus als ob ich eine Schraube verloren habe. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass ein Teil vom Gepäckträgerrahmen, an dem die Schraube befestigt war, abgebrochen ist! Der Gepäckträger hängt nur noch an der oberen Schraube und hängt schief. Er hängt schief, und die Satteltasche drückt gegen das Kettenblatt. Das kleinste Ritzel kann ich nun nicht mehr benutzen, da ansonsten sehr viel Abrieb entstehen würde. Ab sofort bin ich also in den Gängen eingeschränkt. Ich brauche also einen Fahrradladen. Aber heute ist schon alles zu, und Morgen ist Sonntag. Da hat alles zu. Hmmm, da werde ich wohl noch einen Tag mit schrägen Taschen und defektem Gepäckträger fahren dürfen.
Ich bin nun in der Nähe der belgisch-französischen Grenze. Bei Nieuwpoort ist es dunkel geworden. Also schaue ich mich langsam um nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Doch wen frage ich? Alle Tankstellen haben bereits geschlossen. Ich radele einige Kilometer entlang und finde nichts passendes, wo ich nachfragen könnte. Da fällt mir ein wie ich auf meinen bisherigen Radreisen immer eine preiswerte Unterkunft vor Ort gefunden hatte. Auf meinem IPhone schalte ich das WLAN ein und fahre langsam entlang einer Straße mit mehreren Restaurants und Bars. Irgendwo gibt es immer freies WLAN. So auch hier. Ich habe ein freies Netz gefunden. Gut. In Google suche ich nach Hostels in der Nähe. Und tatsächlich in ca. 5 km Entfernung gibt es eine Jugendherberge im nächsten Ort. Goolge berechnet mir die Route dorthin. Ich schalte das WLAN wieder aus und fahre per GPS die Route entlang.
Die Jugendherberge liegt in Oostduinkerke. Es ist eine schöne Juhe.
Hier wasche ich erst einmal meine verschwitzten Klamotten. Sie stinken. Ein weiteres Mal in diese Klamotten zu steigen, ohne sie zu waschen, wäre eklig. Ich wasche von Hand. Ich habe hierfür extra Waschpulver mitgenommen. Das hatte ich in früheren Radeisen bereits gelernt, dass ich immer etwas Waschpulver brauche. Die Juhe hat glücklicherweise einen Trockner. Das ist gut. Dann kann ich die Sachen morgen früh wieder anziehen.
Am nächsten Morgen wache ich auf und sehe aus dem Fenster. Es hat über Nacht geschneit. Ein weißer Schleier liegt über den Straßen. Na toll. Jetzt darf ich auch noch im Schnee fahren. Das wird ja heiter. Ich gehe erst einmal frühstücken bevor ich mich dann aufmachen werde in Richtung Frankreich, erst nach Calais, und danach in Richtung Le Treport. In Le Treport werde ich wohl nicht ganz ankommen. Aber ich kann vielleicht wieder etwas Strecke gut machen. In ein paar Tagen habe ich einen geplant etwa kürzeren Etappenabschnitt. Spätestens dann sollte ich meinen Rückstand wieder aufgeholt haben.
Jetzt mache ich mich erst einmal auf durch den Schnee.
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